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Anna Klementine Elsbeth Hedwig – sie selbst nannte sich später Anni – kam am 7. Mai 1885 auf dem Gut Karolinenthal (Żelazkowo) im Landkreis Lauenburg in Pommern zur Welt.
Sie war das vierte Kind des ehemaligen königlichen Leutnants und Gutbesitzers Friedrich von Selchow und seiner Ehefrau, der Gutstochter Hedwig geborene Kratz. Die Familie lebte vor allem durch den Verkauf von Getreide.

links: Friedrich von Selchow in der Uniform des Pommerschen Husaren-Regiments „Fürst Blücher“ 1875, rechts: Hedwig von Selchow mit Tochter Elisabeth, die 1887 starb
1893 verkauften die Eltern das Gut Karolinenthal aus wirtschaftlichen Gründen und zogen mit ihren Kindern nach Berlin.

Die Geschwister Bogislav, Ehrengard und Anni von Selchow (1895)
Nach der Schulausbildung trennten sich die Wege der Geschwister. Bogislav von Selchow ging zur Marine und wurde Fregattenkapitän. Er gehörte später zu den rechten Kräften, die die Weimarer Republik bekämpften. Nach 1933 erlangte er als Schriftsteller und Dichter Ruhm und Ehrungen für seine antisemitischen und rassistischen Schriften. Ehrengard von Selchow wurde Lehrerin und arbeitete zeitweilig in Santiago de Chile, später in Berlin.
Von Czierwienz nach Potsdam
Anni von Selchow heiratete 1910 Hasso von Normann und zog mit ihm auf das Gut Czierwienz (Czerwieniec) im Landkreis Stolp in Pommern. Am 8. Oktober 1917 brachte Anni von Normann in Leba (Łeba), wo das Paar inzwischen hingezogen war, ihren Sohn Sigurd zur Welt.
1922 wurde die Ehe geschieden. Anni von Normann ging zurück nach Berlin und wohnte dort bei ihrer verwitweten Mutter und ihrer Schwester. Später zog Anni von Normann mit ihrem Sohn nach Potsdam, wo bereits ihre Cousins Franz und Wolf von Gottberg lebten. 1926 heiratete sie Wolf von Gottberg, der in Potsdam als Regierungsrat in der Abteilung für Kirchen und Schulen angestellt war.
Kirchliches Engagement
1934 gründete sich die Bekennende Kirche, um sich gegen die Gleichschaltung und Vereinnahmung der evangelischen Kirche durch den nationalsozialistischen Staat zu wehren. Auch Anni von Gottberg trat ihr bei und beteiligte sich maßgeblich an der Sammlung und Organisation der Bekenntnisgemeinden in Potsdam. Sie war sowohl Mitglied im Bruderrat der Friedens-Erlösergemeinde als auch im Kreisbruderrat der Bekennenden Kirche. Im Dezember 1935 wurde sie als theologische Laiin und einzige Frau in den Brandenburgischen Provinzialbruderrat aufgenommen.
Anni von Gottbergs klare und kompromisslose Haltung führte zu Auseinandersetzungen mit Mitgliedern und Pfarrern der Bekennenden Kirche sowie zur Verfolgung durch die Gestapo.
Nach 1945 beteiligte sie sich am Aufbau einer neuen evangelischen Kirche. Sie leitete die Geschäftsstelle der noch nicht aufgelösten Bekennenden Kirche in Potsdam. Darüber hinaus war sie Mitglied im Kirchenrat der Friedensgemeinde sowie im Kreiskirchenrat.
Letzte Jahre in Hamburg
1954 erkrankte Anni von Gottberg an Krebs und legte ihre kirchlichen Ämter nieder. Sie ließ sich operieren und zog im Oktober 1955 zu ihrem Sohn und seiner Familie nach Hamburg.
Anni von Gottberg starb am 9. Juli 1958 und wurde sechs Wochen später neben ihrem Ehemann auf dem Bornstedter Friedhof beigesetzt. Bis zuletzt hatte sie sich mit religiösen Fragen auseinandergesetzt. In ihrem Nachlass fand die Familie zahlreiche eigene theologische Ausarbeitungen.

Grabstein auf dem Bornstedter Friedhof, 2010 (Foto Corinne Waldbach)
Im Gedenken an sie wurde 1995 im neu errichteten Potsdamer Stadtteil Kirchsteigfeld die Anni-von-Gottberg-Straße eingeweiht. Seit dem 12. August 2014 erinnert eine Gedenktafel an ihrem früheren Wohnort in der Potsdamer Weinbergstraße 35 an ihr Engagement in der Bekennenden Kirche.