Im Alltag wurde die Bekennende Kirche vor allem von Frauen getragen. Doch ist nur über wenige von ihnen etwas bekannt. Zum einen wird ihre Geschichte durch die Schicksale von prominenten Mitgliedern wie Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer verdeckt. Zum anderen wurden Frauen auch in der Bekennenden Kirche durch die evangelische Kirchenpolitik ausgegrenzt, so dass sie keine exponierten Stellen besetzen konnten. Stellvertretend für sie stehen einige Kurzporträts von Frauen, die sich in Potsdam engagiert haben.

Bertha Fritz

Elisabeth Hasse

Bertha von Moeller

Dorothea Schneider und Christa-Maria Lyckhage

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Bertha Fritz (1894 – Todesdatum unbekannt)

wurde in Siófok in Ungarn als Tochter des Garteninspektors Karl Fritz geboren. Von 1900 bis 1904 war sie Schülerin in einer höheren Mädchenschule in Potsdam. Nach der Versetzung des Vaters nach Benrath am Rhein besuchte sie die Städtische Luisenschule (Luisen-Gymnasium) in Düsseldorf und anschließend das dortige Städtische Oberlyzeum mit Lehrerinnenseminar. 1916 erhielt sie die Befähigung, in Mittel- und höheren Schulen sowie in Volksschulen zu unterrichten.

Personalbogen Bertha Fritz (Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Archiv: Sammlungen der Gutachterstelle des BIL, Volksschullehrerkartei)

Personalbogen Bertha Fritz (BBF/DIPF, Archiv: Sammlungen der Gutachterstelle des BIL, Volksschullehrerkartei)

Bertha Fritz war zunächst Lehrerin an der Potsdamer Charlottenschule, in der sich heute das Kabarett „Obelisk“ befindet und danach im Realprogymnasium in Angermünde. Ab April 1918 unterrichtete sie wieder in der Charlottenschule und vertretungsweise in verschiedenen Gemeindeschulen in Potsdam. Ab 1927 war sie als Lehrerin für Religion, Deutsch und Musik an der evangelischen Mädchenschule in der Heinrichstraße (Clara-Zetkin-Straße) angestellt.

Sie engagierte sich seit dem Spätsommer 1934 in der Bekennenden Kirche der Friedens-Erlösergemeinde. Sie organisierte in ihrer Wohnung regelmäßige Bibelkreise und betreute den Helferkreis der Gemeinde. Ab Januar 1936 war sie Mitglied im Bruderrat der Bekennenden Kirche der Friedens-Erlösergemeinde. 1940 ließ sich Bertha Fritz vom Schuldienst pensionieren. Von 1945 bis mindestens 1950 arbeitete sie als Religionslehrerin in der Friedensgemeinde.

Elisabeth Hasse (1900 – 1987)

Familie Hasse um 1935 (v.l. Annemarie, Hans, Viktor, Angelika, Dietrich, vorn: Elisabeth und Ulrich)

kam als viertes von sieben Kindern des evangelischen Pfarrers Johannes Reichmuth in Zerrenthin in der damaligen Uckermark zur Welt. Ihre Mutter Anna war die Enkeltochter des Generalsuperintendenten der Neumark und der Niederlausitz Carl Büchsel. 1904 verließ die Familie Zerrenthin und ging nach Potsdam, wo der Vater Pfarrer in der Nikolaikirche und später Superintendent für den Kirchenkreis Potsdam I war.

Elisabeth Reichmuth wurde 1907 in die Höhere Töchterschule in der Waisenstraße (Dortustraße, Max-Dortu-Grundschule) aufgenommen. Achtzehnjährig verlobte sie sich im Juli 1919 mit Viktor Hasse, der seit 1914 Aushilfsprediger an der Nikolaikirche und seit 1919 zweiter Pfarrer in der Friedrichskirchgemeinde in Nowawes war. Im Juni 1920 heirateten sie und zogen in das Pfarrhaus in der Priesterstraße (Karl-Liebknecht-Straße). Dort kamen zwischen 1921 und 1925 ihre Kinder Angelika, Dietrich und Annemarie zur Welt. 1922 nahm das Ehepaar Viktor Hasses Sohn Hans zu sich, der seit dem Tod von Viktor Hasses erster Ehefrau bei den Großeltern in Boitzenburg lebte. 1928 wurde Viktor Hasse als erster Pfarrer an der Friedrichskirche eingesetzt. Die Familie zog nun in das größere Pfarrhaus in die Lutherstraße 1. 1931 wurde hier der Sohn Ulrich geboren.

Elisabeth Hasse mit ihren Schülern der Oberschule 18 „Ludwig van Beethoven“ (Goethe Gesamtschule) in der Stephensonstraße, um 1950

Elisabeth Hasse unterstützte ihren Ehemann in seinem Engagement für die Bekennende Kirche und organisierte den Alltag der siebenköpfigen Familie.

Während der mehrfachen Gefängnisaufenthalte ihres Ehemannes hielt sie die Gemeinde zusammen und sorgte dafür, dass die Gottesdienste weiterhin stattfanden. Beide nahmen 1940 und 1941 untergetauchte Juden bei sich auf und verhalfen ihnen zur Flucht. Im November 1945 begann Elisabeth Hasse mit einem neunmonatigen Neulehrerkurs.

Im März 1946 starb Viktor Hasse. Bis 1962 war Elisabeth Hasse Grundschullehrerin im früheren Realprogymnasium in der Stephensonstraße (Goethe Gesamtschule), in dem sie auch den Neulehrerkursus absolviert hatte. Sie starb am 18. August 1987 in Potsdam.

Bertha von Moeller (1877 – 1942)

war die Tochter Ernst von Moellers, Staatssekretär im Handelsministerium von Otto von Bismarck, und seiner Ehefrau Emma geborene Monjé. Sie wurde in Berlin als jüngstes von fünf Kindern geboren. Kurz nach ihrer Geburt erkrankte die Mutter an „religiösen Wahnvorstellungen“ und wurde im „Schweizerhof“ aufgenommen, einer von dem Psychiater Heinrich Laehr gegründeten „Privatanstalt für psychisch kranke weiblichen Geschlechts“ in Schönow im heutigen Zehlendorf. Nach der Erkrankung der Mutter und nach dem Tod des Vaters im April 1886 sorgte ihre Schwester Bertha Monjé für die Kinder.

Bertha von Moeller besuchte eine höhere Schule mit Lehrerinnenseminar in Berlin und ließ sich anschließend in einem dreijährigen wissenschaftlichen Fortbildungskurs in Göttingen zur Oberlehrerin ausbilden. Initiiert wurden diese Seminare erstmals 1888 in Berlin von Helene Lange, Minna Cauer und Franziska Tiburtius. Nach 1903 arbeitete Bertha von Moeller als Oberlehrerin im königlichen evangelischen Lehrerinnen-Seminar Augustenburg auf der damals preußischen Insel Alsen.

Geographentag in Karlsruhe Pfingsten 1927 (v.r. Oberin Bertha von Moeller, Oberin Dittmar, Prof. Schulz, Prof. Ludwig Mecking, Dr. Joachim Perthes, Frau Krause, Frau Engelhardt, sitzend v.l. Prof. Hermann Wagner, Prof. Wilhelm Meinardus)

Im Oktober 1910 berief sie die Kaiserin Auguste Viktoria zur Oberin des Kaiserin-Augusta-Stifts in Potsdam in der Albrechtstraße (Am Neuen Garten). Dort war Bertha von Moeller auch für den Geschichts- und Erdkundeunterricht zuständig.

Sie engagierte sich für die Erweiterung des Geografieunterrichtes und eine bessere Ausbildung der entsprechenden Fachkräfte. Darüber hinaus setzte sie sich für die Einrichtung einer Oberstufe im Augusta-Stift ein. Der erste Abiturjahrgang begann im April 1929. Ab 1932 war Bertha von Moeller die Oberstudiendirektorin des Lyzeums.

Bertha von Moeller im Kreis ihrer Schülerinnen, undatiert (Stadtarchiv Potsdam)

Bei der Kirchenwahl im Juli 1933 wurde sie als Vertreterin der Liste „Evangelium und Kirche“ in den Kirchenrat der Pfingstgemeinde gewählt. Im September 1934 trat Bertha von Moeller der Bekennenden Kirche bei. Drei Monate später wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden des Bruderrates der Bekennenden Kirche der Pfingstgemeinde ernannt. Ihr kirchliches Engagement war 1935 wohl auch der Anlass zu ihrer vorzeitigen Pensionierung durch das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.

Ende 1936 erfolgte ihre Wahl als Mitglied in den Kreisbruderrat der Bekennenden Kirche für den Kirchenkreis I, in dem sie bereits seit März 1935 als Stellvertreterin eingesetzt war. Bertha von Moeller starb am 25. Dezember 1942 an Krebs und wurde auf dem Neuen Friedhof beigesetzt.

Dorothea Schneider (1889 – 1946) und Christa-Maria Lyckhage (1920)

Dorothea Schneider kam als zweites von fünf Kindern des protestantischen Pfarrers Gustav Ryssel und der Kaufmannstochter Anna geborene Heidrich in Seifersdorf (Mściszów) bei Lauban in Niederschlesien zur Welt. Von 1913 bis 1915 ließ sie sich zur Jugendpflegerin an der Sozialen Frauenschule der Inneren Mission in Berlin ausbilden. Anschließend arbeitete sie als Sekretärin im evangelischen Provinzialverband für die weibliche Jugend in der Provinz Posen. 1918 heiratete sie den Pfarrer Adolf Schneider. Am 5. Oktober 1920 kam ihre Tochter Christa-Maria zur Welt, die ab 1927 das deutschsprachige Lyzeum der Below-Knotheschen Schule in Poznań besuchte.

1928 starb Adolf Schneider. Dorothea Schneider nahm nun wieder ihre Arbeit im evangelischen Provinzialverband für die weibliche Jugend auf. In den Jahren darauf beschloss sie, Poznań zu verlassen, um ihrer Tochter eine gute Universitätsausbildung in Deutschland zu ermöglichen. Auch war es mühsam, regelmäßig die Aufenthaltsgenehmigung für sich und die Tochter verlängern zu lassen, um in Poznań – das seit 1918 zu Polen gehörte – bleiben zu dürfen.

1934 zog sie mit ihrer Tochter nach Potsdam. Durch ihre Freundin Anna Maria Balan kam sie in Kontakt mit der Bekennenden Kirche. Anna Maria Balan war Oberstudienrätin im Oberlyzeum auf Hermannswerder und selbst Mitglied der Bekenntnisgemeinde an der Erlöserkirche.
Christa-Maria Schneider wurde in die Realgymnasiale Studienanstalt in der Waisenstraße (Dortustraße, Max-Dortu-Grundschule) eingeschult. 1939 legte sie ihr Abitur ab und studierte an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (Humboldt Universität) Germanistik, Anglistik und Schwedisch. Dort engagierte sie sich auch in der evangelischen Studentengemeinde. Dorothea Schneider fand eine Stelle in der Dr. Lepsius Deutsche Orientmission. Sie trat der Evangelischen Frauenhilfe der Erlösergemeinde bei und wurde später deren Vorsitzende.

Dorothea und Christa-Maria Schneider halfen zwischen Februar 1943 und März 1945 den untergetauchten Jüdinnen Margarete Latte, Charlotte Paech und Gertrud Leupold, die zeitweise bei ihnen in der Horst-Wessel-Straße 22 (Wielandstraße) lebten.

Dorothea Schneider starb am 16. August 1946 an der so genannten Blutarmut und wurde auf dem Neuen Friedhof beigesetzt.

Christa-Maria Schneider studierte nach dem Krieg Theologie in Berlin, Zürich, Basel und Lund. 1950 heiratete sie Knuth Lyckhage, der später Hauptpfarrer von Göteborg wurde. Im selben Jahr kam ihr Sohn Gunnar zur Welt. Christa-Maria Lyckhage arbeitete als Übersetzerin von theologischen und philosophischen Dissertationen sowie schwedischer Literatur ins Deutsche. Sie lebt in Göteborg.

1995 wurde im Potsdamer Stadtteil Kirchsteigfeld die Dorothea-Schneider-Straße eingeweiht. 2002 erhielten Mutter und Tochter durch die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem den Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“.

Publikation

„Ich bin für Potsdam das rote Tuch – Anni von Gottberg und die Bekennende Kirche“ von Jeanette Toussaint

Zu bestellen ist das Buch direkt beim Märkischen Verlag.

LESUNGEN

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